Von tanzenden Bären und der kognitiven Reibung…

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Alan Cooper ist ein Guru – davon gibt es im Web 2.0 eine ganze Menge. Außerdem ist er der „Vater von Visual Basic„, Inhaber einer Consulting Firma und der Autor etlicher Werke zum Thema Interaktions- und Interface-Design. Zu seinen bekanntesten Büchern zählen, neben dem hier behandelten „The Inmates Are Running the Asylum: Why High-tech Products Drive Us Crazy and How to Restore the Sanity“, „About Face: The Essentials of User Interface Design“, das inzwischen in der dritten Auflage erschienen ist und folgerichtig den Titel 3.0 trägt.

Alles Irre

Aber nun zu dem eigentlichen Buch: Die Insassen leiten das Irrenhaus – so der Titel übersetzt – wendet sich nach eigener Aussage an Interaktionsdesigner, Produktmanager oder auch Softwareentwickler. Was haben wir als Technikredakteure also von der Lektüre?

Ganz einfach: in diesem Buch geht es zuvorderst um die vielen Fallen, in die man tappen kann, wenn man beim Designprozess den wichtigsten Part vergisst: den Benutzer oder User. Man kann in einer technischen Dokumentation die tollsten Sachen schreiben, die schönsten Illustrationen verwenden und sich der neuesten Mittel der Wissensvermittlung bedienen; wenn man den Rezipienten aus den Augen verliert, ist das alles umsonst.

Allan Cooper zeigt in seinem Buch mögliche Probleme auf, exemplarisch eher aus der Welt der Softwareentwicklung, und skizziert mögliche Wege aus dem Dilemma. Er verwendet dafür unter Anderem die Persona Methode, die er in dem vorliegenden Buch sehr anschaulich beschreibt.

Wer sich für die Verwendung der Persona Methode in der technischen Kommunikation interessiert, findet mit diesem Buch schon einmal einen schönen Einstieg. Der Autor beschreibt an konkreten Beispielen den Prozess der Persona-Erstellung und liefert auch gleich ein paar Beispiele aus dem Leben mit. Wer zunächst mal mit ein paar „fertigen“ Personas spielen möchte, findet hier schon einige Beispielpersönlichkeiten. Gut gelungen sind insgesamt auch die „Case Studies“, die einen Einblick in die Arbeitsweise eines Interaktionsdesigners gewähren.

Wie gesagt: in erster Linie wendet sich Allan Cooper an Softwareentwickler bzw. „Interaktionsdesigner“, aber auch für den Technischen Redakteur oder Produktmanager wird einiges an interessanter Information geboten.

Tanz! Bär

Doch was hat es nun mit den tanzenden Bären auf sich? Diese Metapher nutzt der Autor für Produkte, im vorliegenden Fall hauptsächlich Software, die trotz ihres fehlerhaften Designs eine unwiderstehliche Faszination auf uns ausüben. Die gaffende Menge versammelt sich ja nicht um den tanzenden Bären, weil er so ein eleganter und großartiger Tänzer ist, sondern weil er überhaupt tanzt! Wir, als Nutzer von neuen, funktionsüberladenen Produkten, sind leicht bereit, die – oftmals unnötigen – Schwächen und Fehler im Design zu akzeptieren, weil das Produkt etwas Tolles für uns erledigt. Nur so konnten Unmengen an schlecht bis kaum bedienbaren Videorekordern verkauft werden: man flucht, aber es ist toll, dass es überhaupt (manchmal) funktioniert. Cooper plädiert dafür, das Interaktionsdesign im Produktlebenszyklus an den Anfang, also noch bevor die eigentliche Softwareentwicklung beginnt, zu stellen. Nur so sind nach seiner Auffassung Fehlentwicklungen die zu Produkten der Marke „faulty by design“ führen, in den Griff zu bekommen.

Für den Technischen Redakteur würden besser designte Produkte natürlich einen erheblich verringerten Dokumentationsumfang ergeben – und weniger Nachfragebedarf bei den Entwicklern und Konstrukteuren. Ebenso sollte man bei der Dokumentationserstellung den einen oder anderen Gedanken von Cooper mal im Hinterkopf behalten – einige der vorgestellten Techniken und Prozesse stünden auch den Informationsprodukten der Technikredakteure gut zu Gesicht.

Das Buch ist in fünf Abschnitte aufgeteilt und in einer sehr launigen Sprache verfasst. Cooper führt sehr griffige Benennungen für wiederkehrende Herausforderungen ein – wie z. B. genannte „Dancing Bearware“. Diese ziehen sich wie ein roter Faden durch das Buch, wenn auch ab und an ein wenig redundant. Ein anderer kleiner Kritikpunkt: an der einen oder anderen Stelle übertreibt es der Autor mit dem „Namedropping“: hier mal mit Bill (Gates) ein Bierchen getrunken, dort mal der Microsoft Entwicklungsabteilung gezeigt, wie das Business funktioniert; naja, kann man mögen, muss man aber nicht.

Fazit

Das Buch ist derzeit nur in englischer Sprache verfügbar und kostet als Taschenbuch knapp 15 € bei Amazon. Ein umfangreicher Index erleichtert neben dem übersichtlichen Inhaltsverzeichnis die Navigation durch die 288 Seiten. Eine kurze Anmerkung noch zur Sprache: das Englisch ist nicht zu schwierig und speziell für diejenigen, die ohnehin in der Softwarebranche tätig sind, sollte das Verständnis keine allzu große Herausforderung darstellen. Alle anderen, die sich schon nicht mehr erinnern können, wann sie das letzte Mal ein englische Buch gelesen haben oder mit der Branche wenig zu tun haben, sollten vielleicht erst mal probelesen (z. B. auf www.books.google.com)

Allan Cooper:
The Inmates Are Running the Asylum: Why High-tech Products Drive Us Crazy and How to Restore the Sanity
Taschenbuch: 288 Seiten
Verlag: Sams
Auflage: 2nd ed. (11. März 2004)
Sprache: Englisch ISBN-10: 0672326140
ISBN-13: 978-0672326141

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